The Merchant of Venice

rafeman
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Master of Advanced Studies in Business Intelligence
The Merchant of VeniceDarf´s ein bisschen mehr sein?

Irgendwie bedaure ich fast, dass weder Halle Berry noch Michael Dudikoff eine Hauptrolle in ‚The Merchant fo Venice’ bekommen haben. Wäre dies der Fall, hätte ich keine Skrupel, diesem Film einen solchen Verriss zu verpassen, dass Michael Radford glaubte, Massimo Troisi persönlich stiege aus seinem Grab und haue ihm seine Oskar-Nomination um die Ohren.
Da der Part des Shylock aber nun mal nicht von einem dahergelaufenen Lorenzo Lamas sondern vom grossen Al Pacino persönlich gespielt wird, sehe ich mich als Fan in der Pflicht, etwas differenzierter an den Film heranzugehen.

Jeder durchschnittlich kulturell Interessierte weiss wohl um die Brisanz und den beissenden Humor in William Shakespeare’s ‚Der Kaufmann von Venedig’. Da der Host jedoch alles andere als durchschnittlich ist, war er sich dieses Umstandes nicht bewusst, bis er es in einigen nidwirkli.ch-fremden Kritiken gelesen hatte. Ich gehe daher mal davon aus, dass der Stoff wirklich so heikel ist und der Brisanz-Regler bei der Vorstellung, die ich im Kino erleben durfte, nicht ganz so hoch eingestellt war wie vom Verleiher empfohlen. (Falls der geneigte Leser jetzt das Gefühl hat, der vorangegangene Satz mache nicht viel Sinn, dann hat er wahrscheinlich recht.)
Und übrigens: Muss den immer alles als brisant, heikel oder zumindest anspruchsvoll bezeichnet werden, wenn ein Bösewicht jüdischen Glaubens (oder ein arabischer Terrorist, oder ein Schweizer Banker) auch nur am Rande vorkommt? Ich dachte, diese Diskussion über Antisemitismus im Mainstream-Kino sei spätestens seit ‚The Passion of the Christ’ doch eher abgegriffen. Ausserdem gab es damals schliesslich um ‚X-Men’ auch keine Diskussion zum Thema, obwohl Magneto mindestens ebenso boshaft wie Shylock und die Szene mit ihm als Kind im KZ fast ebenso schwarz-weiss wie der Grossteil von ‚Schindler’s List’ ist.
Brisanz ist gefragt? Dann lanciere ich hiermit aus dem hohlen Bauch heraus das Internet-Gerücht, dass Steven Spielberg’s‚ Jaws’ (‚Der Weisse Hai’) ursprünglich unter dem Arbeitstitel ‚Jews’ von einem übermächtigen, jüdischen Hai handeln sollte, der aus Rache einen arischen Strand terrorisiert, dann aber von einem anderen Mitglied der jüdischen Gemeinschaft zur Strecke gebracht wird. Voilà: innerhalb weniger Wochen werdet Ihr auf meine Website geleitet, wenn Ihr auch nur daran denkt, nach ‚Kontroverse’ zu googlen. DAS ist Brisanz.

Zurück zum Thema: Im Allgemeinen wird ebendiese Brisanz als Grund aufgeführt, dass ‚The Merchant of Venice’ bis jetzt als Filmvorlage eher vernachlässigt wurde. Ich selber vertrete die Auffassung, dass Filmemacher bis jetzt einfach das Risiko, einen langweiligen Film abzuliefern als zu gross eingestuft hatten. Angesichts der Tatsache, dass ich die literarische Vorlage von Shakespeare nicht gekannt hatte, bis ich den Film gesehen habe, ist diese meine Behauptung natürlich ein ‚circulus in probando’, eine Feststellung, die ich erst im Nachhinein machen konnte. Das ist das schöne an Fremdwörtern: An dieser Stelle studieren noch 85% meiner Leser was ein ‚circulus in probando’ denn ist, (es ist ein Zirkelschluss), und ich brauche mir keine Gedanken zu machen, wie ich wieder Fluss in den Text bringe, aber wer den Film gesehen hat, weiss, was ich meine: ‚The Merchant of Venice’ ist langweilig. Es soll sogar Leute geben, die während der Vorstellung eingeschlafen sind. Zwar ist dies dem Host selber seit ‚Sleepers’ nicht mehr passiert (kein Witz, ehrlich!), jedoch sind auch für ihn die narkoleptischen Reaktionen auf ‚The Merchant of Venice’ sehr wohl nachvollziehbar.
Kurz: Ich wartete den ganzen Film lang darauf, dass Al Pacino endlich aufdreht und den Kinosaal mit einem seiner lautstarken Monologe erzittern lässt. Doch obwohl es an einigen Stellen den Anschein macht, jetzt lege er los, kommt es nie zum ‚The Devil’s Advocate’ oder ‚Any Given Sunday’ – Moment (wer die Filme gesehen hat, weiss was ich meine). Die Rolle des Shylocks lässt dies gar nicht zu. Denn wenn Pacino aufdrehen würde, wäre der Film für seine Schauspielerkollegen gelaufen. Und soweit ich die Story verstanden habe, ist es der Dramaturgie nicht sonderlich hilfreich, wenn die Figur des Shylock zur Hauptidentifikationsfigur wird. Doch auch mit Pacino mit angezogener Handbremse passiert leider eben dies, was mitunter ein Grund ist, dass der Film nicht wirklich funktionieren kann. Halloo?! Dann besetzt nicht Al Pacino auf diesen Part oder gebt ihm einen ebenbürtigen Counterpart, vielleicht Sean Penn, Edward Norton oder wenigstens Jamie Foxx als Othello! Denn wenn der Shylock am Schluss mit eingezogenen ‚Little Friend’ herunterkapitelt wird, ist das für den Zuschauer so unbefriedigend wie wenn Tony Montana am Ende von ‚Scarface’ ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden würde. (Übrigens weiss ich sehr wohl, dass Othello nicht im ‚Kaufmann von Venedig’ vorkommt, aber wenn im Sommer ‚Stealth’ in die Kinos kommt, könnten Foxx’s Oscar-Ehren so schnell aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwinden wie der gleichnamige Flieger vom Radar, und Foxx wäre froh, wenn er auf einen Othello in seinem Lebenslauf verweisen könnte.)

Nun ein Wort zum eigentlichen ‚Helden’ des Stücks: Obwohl Joseph Fiennes seit ‚Shakespeare in Love’ was Frauen anbelangt nicht viel gelernt zu haben scheint, kann man nichts gegen seine schauspielerischen Fähigkeiten sagen. Nicht umsonst sind seine Leistungen in ‚Schindler’s List’ oder ‚The English Patient’ bis heute unverg…, oh, entschuldige Joseph. Nächstes Thema.

Abschliessend kann ich sagen, dass das Beste an ‚The Merchant of Venice’ die Tatsache ist, dass ich mich an einen anderen Film erinnert wähnte, den schon fast vergessen hatte: ‚Looking for Richard’. Jedem, der sich für eine wirklich gelungene und amüsante Kombination von Shakespeare und Pacino interessiert, dem lege ich diesen pseudo-dokumentarischen Film mit vielen bekannten Gesichtern ans Herz. Und wenn man Al Pacino dann immer noch als Juden in brisantem Umfeld sehen will, dann empfehle ich den Thriller ‚People I know’ (‚Der innere Kreis’).